High-Tech-Rohstoff Graphit: Quasi-Monopol der BRICS-Staaten

by John Tuscha

Autor: U.K. Bilder: Wikipedia/Ra’ike Lizenz: CC BY-SA 3.0


Reinstgraphit ist unentbehrlich für E-Auto- und Smartphone-Akkus, für Solarzellen und Halbleiterfertigung

Seit Anbeginn der Elektrifizierung ist Graphit, eine natürlich vorkommende Sonderform des kristallinen Kohlenstoffs, als Elektroden-Werkstoff in Motoren, Generatoren, Lichtbogenöfen und herkömmlichen Batterien großtechnisch im Einsatz. Seine Fähigkeit, Strom gut zu leiten, gleichzeitig aber auch bei hohen Temperaturen formstabil zu bleiben und gegen die meisten Chemikalien beständig zu sein, machen Graphit zu einem vielseitig verwendbaren Material der Elektroindustrie. Ein bis vor kurzem unspektakulärer Rohstoff, dessen pure Existenz den meisten Benutzern höchstens in der Form des Bleistifts bewusst war.

Das hat sich aber vor gut 20 Jahren dramatisch verändert. Denn durch die zu jener Zeit massentauglich werdenen Lithium-Ionen-Akkumulatoren, die allen bis dahin üblichen Speicherzellen für elektrische Energie weit überlegen waren, und dem einsetzenden Boom der Photovoltaik-Anlagen schoß der Bedarf für hochreines, feinstkristallines Graphit in die Höhe. Ein Trend, der bis heute sich immer weiter beschleunigt hat. Als Elektrodenmaterial in Li-Ion-Akkus muß Graphit eine Reinheit von mindestens 99,95 % besitzen, die Korngröße im Material darf höchstens 15 μm (1 μm = 1 millionstel Meter) betragen. Für den Einsatz in der Solarzellen- und Halbleiterherstellung sind die Anforderungen noch zehnmal schärfer. Das sind Welten gegenüber den eher rustikalen Spezifikationen im klassischen Elektromaschinenbau.

Und wie üblich hat Europa auch hier den Trend verschlafen, dank technischer Ignoranz und Energiesparwahn. Dabei ist Reinstgraphit gerade für die „grünen Wenden“ zu erneuerbaren Energien und E-Mobilität absolut unverzichtbar. Die Internationale Energie-Agentur IEA beziffert in ihrer aktuellen Studie „The Role of Critical Minerals in Clean Energy Transitions“ den Graphit-Bedarf eines typischen E-Autos auf ca. 80 kg und schätzt zudem, dass sich der Weltbedarf bis 2040 verfünfundzwanzigfachen(!) wird. Dazu kommt, dass es bis jetzt keine kostengünstige und energetisch praktikable Möglichkeit gibt, das Graphit aus Altbatterien zu recyclen. Denn dummerweise wirken seine positiven Eigenschaften, die chemische und thermische Beständigkeit (es wird erst oberhalb von 2.500 °C überhaupt formbar), jedem Versuch der Wiederaufbereitung entgegen.

Eine Substitution des Graphits in den Akkus durch nanokristallines Silizium oder Lithiumtitanat ist zwar theoretisch denkbar, aber noch Jahre von der Serienreife entfernt und ersetzt im Falle von Lithium nur ein Rohstoffproblem durch ein anderes.

So kommt es, dass Stand heute 99 % des akku-tauglichen Reinstgraphits (im Fachjargon „uncoated spheroidised purified graphite“) aus der Volksrepublik China kommt. Graphit selbst ist in der Natur reichlich vorhanden und wird sogar in Deutschland und Österreich in homöopathischen Mengen abgebaut, je etwa 100 Tonnen pro Jahr. Doch die wirtschaftlich interessanten Lagerstätten liegen woanders. Die fünf Länder der BRICS-Gruppe, Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, kontrollieren gemeinsam mit 921.000 Tonnen Jahresförderung (2021) praktisch monopolartig die Weltfördermenge von 1,04 Mio. Tonnen. Und von dem Rest kamen 60.700 Tonnen aus Mozambique, Madagaskar und Nord-Korea, alles nicht gerade bekennende Freunde des „Wertewestens“.

Zwar lässt sich Graphit auch vollsynthetisch herstellen, aus Rohöl oder Kokskohle. Für die Ultrareinst-Qualitäten zum Einsatz in der Halbleiterfertigung ist das sogar der einzige Weg. Aber das braucht extreme Temperaturen, bis zu 3.000 Grad, und Unmengen an elektrischer Energie. Etwas, das bei uns mittlerweile unbezahlbar ist, dank grüner CO2-Strafsteuern und fehlgeleiteter Energiepolitik. In China und in der Inneren Mongolei, wo die großen Graphitfabriken stehen, sieht das ganz anders aus.

Ohne Graphit sind aber die Versuche planwirtschaftlicher „Experten“ in EU und bundesdeutscher Regierung, mit dem subventionierten Bau hochgelobter „Giga-Factories“ unabhängig von chinesischer Batterieproduktion zu werden, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Denn ohne eigene Quellen für die strategischen Bestandteile Graphit und Lithium verkommt die Batteriefabrik zur reinen Verpackungsanstalt. Da wären die hiesigen Politführer gut beraten, die Moral- und Sanktionskeule wieder einzupacken und zu einer geostrategischen Realpolitik zurückzukehren.

Noch ein Hinweis in eigener Sache: Im kommenden ZurZeit-Magazin, ab Freitag im Handel und hier online als E-Paper, berichten wir ausführlich über die BRICS-Gruppe und ihre wachsende Bedeutung als globale Wirtschaftsmacht.

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