Nancy Faeser verengtes Bildfeld

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Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/Olaf Kosinsky Lizenz: free licence CC BY-SA 3.0-de


Deutschlands neue Innenministerin ist einäugig

Bei ihrem Amtsantritt als bundesdeutsche Innenministerin spricht Nancy Faeser, SPD, ein großes Wort gelassen aus: Die derzeit größte Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist der Rechtsextremismus.

Wenige Tage nach Faesers Amtseinführung wiederholt der deutsche Kanzler Olaf Scholz diese Einschätzung bei einer Rede vor dem Bundestag. Der Clou dabei: Worauf die Bewertung von Faeser basiert, wollte – oder besser: konnte – das ihr eigenes Ministerium auf Anfrage nicht beantworten. Denn Unmögliches kann von niemandem verlangt werden. Das wussten bereits die alten Römer:  ultra posse nemo obligatur.

Wenn man sich die Fakten ansieht, dann vermag man sich eines Eindrucks kaum erwehren. Nämlich, dass Frau Faeser in einer von ihr herbeigesehnten Parallelwelt leben dürfte. Die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) wird in ihrer Ausgabe vom 3. Jänner 2022 wieder einmal der Rolle als Westfernsehen gerecht, sie hinterfragt als – soweit überschaubar – einzige Tageszeitung die Aussage von Faeser/Scholz.

In der NZZ ist unter der Überschrift Kommt die größte Gefahr für die deutsche Demokratie wirklich von rechts? unter anderem zu lesen:

„Fragt man bei der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe nach, ergibt sich jedenfalls ein anderes Bild. 210 Ermittlungsverfahren mit Bezug zum islamistischen Terrorismus hat die Behörde im Jahr 2021 bis Ende Oktober neu eingeleitet. Gegen Linksextremisten leitete sie zehn, gegen Rechtsextremisten fünf Verfahren ein. Im Jahr 2020 sah es ähnlich aus. Damals leitete die Behörde 372 Ermittlungsverfahren gegen Islamisten ein, zehn gegen rechte und vier gegen linke Extremisten. Nimmt man die Zahlen der Bundesanwaltschaft zum Maßstab ist nicht der Rechtsextremismus die größte Gefahr, sondern der Islamismus, und zwar mit Abstand.“

Die Bundesanwaltschaft wird vom Generalbundesanwalt geleitet. Er ist der oberste deutsche Staatsverfolger. Seine Mitarbeiter befassen sich daher nur mit staatsgefährdenden Delikten, in erster Linie Terrorismus.

Der bundesdeutsche Verfassungsschutz – böse Zungen sprechen von der Staatssicherheit in Anspielung an den staatsterroristischen Apparat des Erich Mielke, der in der „DDR“ als Schild und Schwert der Partei (SED) die eigene Bevölkerung drangsaliert – kommt hingegen zu einem ganz anderen Bild. Vielleicht, weil so manch Verfassungsschützer in vorauseilendem Gehorsam ahnt, was seine  Dienstherren serviert bekommen möchten.

Im Verfassungsschutzbericht 2020 werden ungefähr 22.000 Straftaten der politisch motivierten Kriminalität rechts zugeordnet, rund 11.000 dem linksextremen Spektrum und – bitte sich irgendwo anzuhalten! – bloß 378 islamistische Straftaten. Die monströsen Zahlen rühren daher, weil die Verfassungsschützer auch sogenannte Propagandadelikte erfassen, zum Beispiel das Sprühen eines Hakenkreuzes. Wer gesprüht hat, ist naturgemäß selten zu eruieren. Rund 58 % der oben angeführten rechtskriminellen Straftaten sind derartige Propagandadelikte.

Linda Teuteberg, ehemalige Generalsekretärin der nun mitregierenden Freien Demokraten (FDP), meint dazu, der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat brauche keine Rankings und Hierarchien verschiedener Bedrohungen und Extremismen. Es sei ein 360-Grad-Rundblick unerlässlich – der kritische Unterton in Richtung Faeser und Scholz ist kaum zu überhören.

Die NZZ resümiert (gerafft): Faesers Festlegung auf den Rechtsextremismus als größte Bedrohung der Demokratie findet also selbst im Regierungslager keine uneingeschränkte Zustimmung. Das mag auch mit der Faktenlage zu tun haben …

Zuletzt eine Klarstellung, um Missinterpretationen hintanzuhalten: Natürlich sollte Frau Faeser rechtsextreme Gewalttaten und sonstige Rechtswidrigkeiten von dieser Seite bekämpfen. Und auch von extrem links. Angesichts der Zahl der Verfahren bei der Bundesanwaltschaft müsste das Hauptaugenmerk Faesers der viel größeren Gefahr aus der Ecke des islamistischen Extremismus gelten.

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