Sanktions-Irrsinn: EU-Bann für Russen-Diesel treibt CO2-Emissionen hoch

by John Tuscha

Autor: U.K. Bilder: Wikipedia CC BY 2.0/Roberto Venturini Lizenz: Public domain


Längere Transportwege verursachen weltweit höheren CO2-Ausstoss der internationalen Tankerflotten

Unter den Knieschuss-Sanktionen der Europäischen Union leiden jetzt nicht nur Bevölkerung und heimische Wirtschaft, sondern auch die Umwelt unseres Planeten. Denn die EU-Sanktionen gegen russisches Benzin, Diesel und andere Erdöl-Destillate, die seit dem 5. Februar in Kraft sind, haben zwar nicht Russlands Ölexporte sinken lassen. Stattdessen sorgen sie dafür, dass weltweit der Ausstoß an CO2-Abgasen, verursacht durch die nun deutlich verlängerten Seetransportwege der
Ölprodukte im internationalen Rohstoffhandel, massiv ansteigt, mit Tendenz weiter nach oben. Und das betrifft nicht nur die Exporte der Russischen Föderation, die nun nicht mehr per Pipeline oder Güterzug nach Europa fließen.

Auch die EU muss jetzt einen Großteil ihrer Öldestillate aus den USA und Indien beziehen, auf dem Seeweg per Schweröl-befeuerten Tankern, die den Himmel mit schwarzen Rauchfahnen verzieren.

Die Sanktionen haben dazu geführt, dass die transkontinentalen Schifffahrtsrouten, über die Öl auf den Weltmeeren von den Produzenten zu den Abnehmern transportiert werden, gewaltig durcheinandergewirbelt und verlängert wurden. Und längere Wege bedeuten nun mal auch auf hoher See mehr Treibstoffverbrauch, ergo mehr CO2 und andere Abgase, vor allem Schwefeloxide.

So erhielt z.B. vor den Sanktionen die EU über die Ölhäfen Antwerpen, Rotterdam und Piräus/Athen russischer Diesel und Naptha, ein Benzin-Zwischendestillat, in großem Mengen aus Ust-Luga westlich von St. Petersburg und Noworossijsk am Schwarzen Meer.

Für ein modernes Tankschiff eine Reise von vier, fünf Tagen. Jetzt kommt der gleiche Stoff stattdessen über den Nordatlantik von den US- Raffinerien nahe Corpus Christi und Beaumont/Port Arthur am Golf von Mexico oder an der Küste
von Louisiana. Eine Strecke, die zwei- bis dreimal länger ist, je nach genauer Fahrtroute. Ähnliches gilt für Diesel-Importe aus Indien, die von Mumbai quer durch den Indischen Ozean, rund um das Horn von Afrika und dann durch den Suezkanal dampfen müssen, bis sie in Griechenland oder Italien ins europäische Pipelinenetz eingespeist werden können.

Auch hier sind Tanker gut und gerne zwei, drei Wochen unterwegs, je nachdem, wieviel Gas der Käptn gibt.
Umgekehrt fahren jetzt die russischen Tanker der SovComFlot mit ihrem Diesel nach Brasilien, Togo und Nigeria. Letzteres Land hat zwar sehr große Ölvorkommen, aber keine leistungsfähigen Raffinerien und ist daher auf Treibstoffimporte angewiesen.

Gerne wird das Zeug auch in Marokko angelandet, dort in den großen Tanklagern gebunkert und ein bisschen mit Drittprodukten vermischt und sodann als „Original Marokkanisches Halal-Diesel“ nach Spanien re-exportiert. „Blending“ nennt sich der Trick. Marokko versichert zwar hoch und heilig, dass nicht mehr als neun Prozent Russensaft dabei wäre (das ist gerade noch erlaubt), aber der Autor kennt und schätzt die Erzählkunst der Maghrebiner von Herzen … Den Vogel schießt aber die „Indian Connection“ ab. Denn Indien hat keine nennenswerte Pipeline- Anbindung. Das Öl für die dortigen Raffinerien, an deren Nayara-Gruppe u.a. der russische Rosneft- Konzern beteiligt ist, kommt nämlich per Schiff von den Pazifik-Häfen auf Sachalin in Ostsibirien.

Auch das noch mal eine Reise von rund 6.400 Seemeilen, oder für Landratten: 11.800 Kilometer. Nach der Veredelung geht dann der Diesel nach Europa, mindestens weitere 7.600 km Seeweg. Wenn man bedenkt, dass ein gängiger Supertanker bei gemäßigter Fahrt über 3.000 Tonnen „Heavy Fuel Oil“ (HFO) pro Tag und etwa 800 – 900 km Strecke verfeuert, kommt da verdammt viel Dreck in die Luft. Aber was soll’s:  Hauptsache, wir sanktionieren immer fleißig weiter.

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