Slowakei: Rote Wahlschlappe

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In Preßburg wird voraussichtlich eine konservativ-liberale Koalition das Ruder übernehmen

Der neue starke Mann schreibt sich Igor Matovič. Der 46-jährige Unternehmer aus Tyrnau gilt als konservativ. Seine ideologisch schwer einordenbare Liste Ol’ano (Obyčajní ľudia a nezávislé osobnosti, dt. Gewöhnliche Menschen und unabhängige Persönlichkeiten) – sie hat sich in den letzten Jahren gegen dem Kampf gegen die weit verbreitete Korruption gewidmet – trägt am Samstag, dem 29. Februar, bei der Neuwahl des slowakischen Nationalrates den Sieg davon. Ol’ano erhält das Vertrauen von 718.007 Bürgern, das sind 25,02 %. Für die herausragende Stellung von Matovič spricht der Umstand, dass er unglaubliche 498.740 Vorzugsstimmen erhält. Ol’ano stellt nunmehr 53 Landesväter im 150-köpfigen Preßburger Parlament, 34 mehr als bisher. Zusammen mit der liberalen Partei SaS (Sloboda a Solidarita, dt. Freiheit und Solidarität) mit 13 Sitzen (minus 8) sowie Za Lúdi (dt. Für die Menschen). der neuen liberal-konservativen Gruppe um den ehemaligen Staatschef Andrej Kiska, mit 12 Sitzen hätte Matovič eine bequeme Mehrheit (78 von 150).

Das bisherige Kabinett des Sozialdemokraten Peter Pellegrini aus drei Parteien erleidet eine bittere Niederlage. Die Smer (dt. Richtung)-Sozialdemokraten verlieren zehn Prozent und halten nun bei 18,29 %, das bedeutet 38 Sitze. Bisher waren es 49. Für die Sozialdemokraten stimmen hauptsächlich Bürger im Osten der Slowakei, wo die Volksgruppe der Roma zahlreich ist. Die beiden Koalitionspartner der Roten, die früher stramm rechte SNS (Slovenská národná strana, dt. Slowakische Nationalpartei) sowie die slowakisch-magyarische Mischpartei Most-Híd (slowak./ung. für Brücke) scheitern an der Fünfprozenthürde.

Ein ausgesprochenes Pech hat das Parteienbündnis aus PS (Progresívne Slovensko, dt.  Fortschrittliche Slowakei) und Spolu (dt. Zusammen). Das Bündnis war erst vor wenigen Monaten höchst erfolgreich, ihre Kandidatin Zuzana Čaputová gewann am 30. März 2019 die Präsidentenwahl, am 29. Mai des Vorjahres hält man mit 20,1 % den Spitzenplatz bei der EU-Wahl. Nun erreicht man 200.780 Stimmen, was 6,96 % bedeutet. Trotzdem reicht es nicht für den Einzug ins Parlament, da für Parteienbündnisse eine 7 %-Hürde gilt.

Die entlang der Grenze zu Polen stark verankerte katholisch-konservative KDH (Kresťanskodemokratické hnutie, dt. Christlich-Demokratische Bewegung) verfehlte 2016 mit 4,94 % ganz knapp den Einzug in den Nationalrat. Nunmehr erreicht die KDH, der man den Wiedereinzug prognostiziert hat, magere 4,65 %, wiewohl sie im Norden des Landes ansehnliche Stimmenanteile erhält. So im Kreis Námestovo 18,88 %, in der gleichnamigen Bezirkshauptstadt sogar 22,35 %.

Die gelegentlich als faschistisch apostrophierte Liste Kotlebovci – Ľudová strana Naše Slovensko (L’SNS, dt. Kotlebianer – Volkspartei Unsere Slowakei) unter Führung von Marian Kotleba kommt diesmal auf 7,97 % (2016 8,04 %). Trotz dieses leichten Rückgangs stellt die patriotische Partei nun 17 Landesväter, drei mehr als bisher. Eine neue, ebenfalls betont patriotische Bewegung namens Vlast‘ (dt. Heimat) um Štefan Harabin vermag hingegen mit 2,93 % die Fünfprozenthürde nicht zu überspringen.

Den neuerlichen Einzug schafft auch die rechtsorientierte und EU-kritische Gruppe Sme Rodina (dt. Wir sind Familie) um den Unternehmer Boris Kollár, den manche als gemäßigten Kotleba charakterisieren. Dies mit 8,24 % und 17 Sitzen, was einen Zugewinn von sechs Mandaten bedeutet.

Zuletzt zu den Parteien der ungarischen Volksgruppe entlang der slowakischen Südgrenze. Dies fast eine halbe Million Bürger sind nunmehr mit keiner Gruppe im Nationalrat vertreten, der einzige ethnische Magyare im Parlament ist Gábor Grendel von Ol’ano. Die traditionelle Sammelpartei der Volksgruppe, die MKP (Magyar Közösség Pártja, dt. Partei der ungarischen Gemeinschaft), verfehlt neuerlich den Sprung ins Parlament. Obschon die MKP bloß auf 3,9 % kommt, steht sie in drei Wahlbezirken im Süden an erster Stelle, darunter in den beiden Siedlungsschwerpunkten der Volksgruppe, in Komorn (ung. Komárom; 41,09 %) und in Niedermarkt (ung. Dunaszerdahely; 43,1 %).

Die Konkurrentin der MKP, die oben erwähnte slowakisch-magyarische Hybridgruppe Most-Híd, bisher Regierungspartei, erleidet mit 2,05 % (2016 6,5 %) eine schwere Niederlage. Dazu dürfte ein peinlicher Vorfall beigetragen haben: Umweltminister László Sólymos prügelt sich am Abend des 22. Jänner in einem Preßburger China-Restaurant mit dem Kellner, beschädigt Teile der Einrichtung. Man ruft die Polizei. Der randalierende Most-Híd-Minister wehrt sich gegen seine Festnahme mit dem Ruf Ich bin der Umweltminister. Vergeblich – der Volltrunkene wird abgeführt. Die Berichte darüber sorgen in Preßburg für Erheiterung.

[Autor: E.K.-L. Bild: www.wikipedi.org/Martin Strachoň Lizenz: CC BY-SA 4.0]

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