“Türkis–Grün wollte ­Bundesheer abschaffen”

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Autor: Bild: Bundesheer/Daniel TRIPPOLT Lizenz: –


Reinhard Bösch zur Vertragstreue der ÖVP, zur Budgetentwicklung für das BH und zur Vorbildwirkung der Schweiz für unsere Neutralität

Herr Abgeordneter. Österreich hat sich mit Abschluss des Staatsvertrages dazu verpflichtet, eine immerwährende Neutralität nach dem Vorbild der Schweiz einzugehen, eine bewaffnete Neutralität also. Inwieweit sind wir dieser Verpflichtung nachgekommen?
Reinhard Bösch: Nun, dieses Ziel des Schweizer Vorbilds haben wir eigentlich während all der Jahrzehnte nie wirklich erreichen können. Es hat aber sehr wohl auch unterschiedliche Bemühungen gegeben, diese Neutralität auch sicherheitspolitisch, also militärisch zu leben. Ich denke dabei vor allem an die Zeit der Raumverteidigung, also zum Beispiel an die achtziger Jahre, in denen das Bundesheer gut dotiert und auch aufgestellt war.

Dr. Reinhard Bösch schied am 31. Oktober 2022 nach vielen Jahren aus dem Nationalrat aus. Er war Vorsitzender des Landesverteidigungsausschusses des Nationalrats und Wehrsprecher der FPÖ (Bild: Parlamentsdirektion / PHOTO SIMONIS).

Wenn man die Vorbildwirkung der Schweiz hernimmt, wurde die nicht endgültig über den Haufen geworfen, als Österreich der EU beigetreten ist? Das betrifft ja auch das Verteidigungsbündnis, das uns zum Einschreiten verpflichtet, wenn ein EU-Staat angegriffen würde?
Bösch: Die Solidaritätsklausel, die tatsächlich Bestandteil der EU-Verträge ist, beinhaltet auch die sogenannte „irische Klausel“ nach der sich neutrale Staaten aus dieser Entscheidungsfindung ausklinken und ihre eigenen Politik diesbezüglich betreiben können.

Österreich ist von zahlreichen Regierungen, rot–schwarze, genau wie Alleinregierungen geführt worden, die das Bundesheer beständig ausgehungert haben. Nun, angesichts des Ukrainekonflikts scheint es eine Besserung zu geben. Dies insofern, als die Budgetmittel aufgestockt werden. Sie haben sich dazu eher positiv geäußert …
Bösch: … ich bin sehr zufrieden. Grundsätzlich bin ich dankbar für jeden zusätzlichen Cent, den das Österreichische Bundesheer bekommt. Ich hoffe nur, dass die Bundesregierung die Ankündigungen, die sie jetzt macht, auch einhalten wird. Allerdings bin ich ziemlich sicher, dass angesichts der politischen Umstände, denen wir jetzt ausgesetzt sind, nicht mutwillig von diesen Versprechen wieder abgegangen wird. Hier ist aber verstärkt Wachsamkeit gefordert, vor allem von uns Freiheitlichen. Ich darf diesbezüglich nur erinnern, dass diese türkis–grüne Regierung zu Beginn ihrer Koalition die Landesverteidigung eigentlich abschaffen wollte und es eines Krieges bedurfte, um eine Meinungsänderung herbeizuführen.

Wenn Sie von einer Abschaffung des Bundesheeres sprechen, müssen wir auf den gegenwärtigen Oberbefehlshaber, Van der Bellen verweisen, der als Grünenchef seinerzeit ähnliches vorhatte und zumindest unser Heer massiv schwächen wollte. Seine Meinung war damals, dass wir ohnehin von einer EU-Armee geschützt wären. Hätten wir uns da nicht jemand anderen als Heereschef vorstellen können?
Bösch: Diese Äußerungen kenne ich in dieser Schärfe jetzt nicht. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass wir eine Zusammenarbeit auf europäischer Ebene selbstverständlich suchen sollten. Dies auch, und vor allem, wenn es um die Beschaffung von Ausrüstungsgerät geht. Es ist allerdings notwendig, dass wir in Österreich ein Grundgerüst an souveräner Landesverteidigung erhalten, damit es uns möglich ist, als souveräner Staat eigenständige Akzente zu setzen.

Sie haben gemeint, dass Sie für jeden Cent mehr für das Bundesheer in Österreich dankbar seien. Allerdings scheint die angekündigte Budgeterhöhung in gewisser Hinsicht eine Mogelpackung zu sein. Nun werden die Pensionen hineingerechnet und die angestrebten 1,5 Prozent des BIP werden bei weitem nicht erreicht …
Bösch: … das stimmt, das eine Prozent, für das kommende Jahr wird nur dadurch erreicht, dass die Pensionen für die ehemaligen Angehörigen hineingerechnet werden. Das ist ein Trick, der angewendet wird, um dieses eine Prozent, das wir Freiheitlichen schon lange gefordert hatten, zu erreichen. Wenn es die Regierung allerdings ernst meint mit den Zahlen, dies sie jetzt veröffentlicht, scheinen wir uns auf einem guten Weg zu befinden.

Österreich kann als neutrales Land in der EU mehr bewirken, wenn wir eigene Initiativen setzen.

Bedeutet „auf einem guten Weg“, dass wir auch wieder einmal Verteidigungsstärke erreichen können, bzw. wird es mit diesen Mitteln auch wieder möglich, dass wir unseren verfassungsmäßigen Auftrag in der Landesverteidigung erreichen?
Bösch: Ich gehe davon aus, dass eine klare Budgetentwicklung auch eine klare Nach- bzw. Aufrüstung ermöglicht. Ich gehe davon aus, dass mit der Erhöhung, dringend notwendige Nachbeschaffungen erfolgen können. Ich gehe auch davon aus, dass im Bereich des Mannesschutzes und der Wirkung des einzelnen Soldaten deutliche Schritte nach vorne gemacht werden. Ebenso hoffe ich, dass im Bereich der Autarkie der einzelnen Kasernen auch das fortgesetzt wird, was wir unter Mario Kunasek begonnen haben

Wenn Sie die Zeit des freiheitlichen Verteidigungsministers ansprechen, warum ist damals, unter freiheitlicher Regierungsbeteiligung, nicht mehr für das Bundesheer getan worden?
Bösch: Wir hatten in den Regierungsverhandlungen mit der ÖVP einen ähnlichen Budgetpfad vereinbart, wie wir ihn jetzt vor uns sehen, allerdings war die Regelung, die wir damals unterzeichnet haben, das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben stand. Die ÖVP hat sich nicht an die getroffenen Vereinbarungen gehalten.

Wenn wir, wie Sie meinten, von einer Zusammenarbeit in Europa reden, sprechen Sie da etwa einen Beitritt zur NATO an, wie ihn einzelne Nordstaaten bereits erklärt haben?
Bösch: Einen Beitritt zur NATO spreche ich damit nicht an. Ich halte es im Gegenteil für einen Vorteil der EU, wenn ein wichtiges Mitgliedsland, wie Österreich im Herzen Europas, keinem Militärbündnis angehört und mit seinem Neutralitätsstatus die Möglichkeit hat, eigene Initiativen zu setzen.
Spielt die Schweiz als Vorbild eigentlich noch eine Rolle oder ist dieses Szenario endgültig vorbei?
Bösch: Die Schweiz ist ein gutes und wichtiges Nachbarland, und wir blicken immer gerne über die Grenzen, aber die angesprochene Vorbildwirkung hat sich wohl mittlerweile überlebt.

Sollten wir vielleicht versuchen, eine Verfassungsänderung herbeizuführen, die die einseitige Neutralitätsverpflichtung in den Mittelpunkt stellt?
Bösch: Die Neutralität ist vor allem auch durch die vertraglichen Verpflichtungen, die Österreich auf europäischer Ebene eingegangen ist, bereits stark interpretierbar geworden. Im Lichte auch der politischen Geschehnisse ist es wichtig, dass wir sie bewahren sollten, unabhängig davon, was die künftige Entwicklung bringt.

„Die Neutralität ist durch eingegangene vertragliche Verpflichtungen stark interpretierbar geworden.“

Wie aber stehen Sie zu der ins Auge gefassten Gesetzesänderung, das Tragen einer SS-Uniform durch einen Unteroffizier des Bundesheeres betreffend? Nach der derzeitigen Regelung ist die geforderte Entlassung nicht möglich, weil die Strafandrohung angeblich unter einem Jahr liegt?
Bösch: Wir Freiheitlichen werden uns die gesetzliche Entwicklung in Bezug auf die parlamentarische Beschlussfassung anschauen und dann die Entscheidung treffen.

Eine letzte Frage zu Ihnen persönlich. Sie treten mit Ende Oktober in den wohlverdienten Ruhestand. Wenn Sie Bilanz über Ihre langjährige politische Tätigkeit, zuerst in Vorarlberg und dann im Nationalrat ziehen, wie sieht ein derartiger Rückblick aus? Sind Sie zufrieden, mit dem was Sie in all den Jahren bewirken konnten?
Bösch: Ich bin, wenn ich auf die vierzig Jahre zurückblicke, sehr zufrieden mit der Entwicklung, die ich persönlich miterleben durfte. Allerdings sehe ich die Zukunftsaussichten für unser Land sehr kritisch.
Es geht dabei um die wirtschaftliche Lage, die sich in eine sehr prekäre Richtung hin entwickelt. Es geht auch um die Massenzuwanderung, derer die Europäische Union nicht Herr wird. Und es geht auch darum, dass wir im Bereich der gesellschaftlichen Entwicklung gewisse Dinge nicht mehr betonen und stärken wollen. So zum Beispiel die Familien oder die Ausbildung unserer Kinder oder auch die Bedeutung der Arbeitsplätze.

Das Gespräch führte Walter Tributsch.

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