Weh dem, der lügt …

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… nennt sich ein Lustspiel von Franz Grillparzer, das 1838 im Wiener Burgtheater uraufgeführt wurde. Grundlage für dieses Stück bildete die Historia Francorum von Gregor von Tours und ist ein märchenhaftes Spiel auf die Grenze des Sagbaren. Ein Blick auf das Spiel von Lüge und Täuschung in einer verworrenen Wirklichkeit. Aus dem moralischen Ansatz entwickelt sich ein skeptischer Blick auf die Welt, in der allein das eigene Gefühl die unaussprechliche Wahrheit noch verbürgen kann.
Aktueller geht es nicht mehr. Dieser Beschreibung zufolge könnte man den Inhalt des Stückes aus der Zeit der Merowinger durchaus in die Jetztzeit transferieren. Gelogen wird, dass sich die Balken biegen. Zumindest kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, wenn man sich die Interviews mit den Spitzen der Bundesregierung anhört. Doch halt! Nicht gesagt ist nicht gelogen. Um den Brei geredet und das Wesentliche verschwiegen, ist auch nicht gelogen. Alles ist nur eine Frage der Rhetorik und der Kunst, viel zu reden und wenig zu sagen. Hinter dem Deckmäntelchen Datenschutz, Geheimhaltung, Persönlichkeitsschutz, Verschwiegenheitspflicht fällt es leicht, sich herauszureden und die Hände in Unschuld zu waschen. Egal wie man es dreht und wendet, der Eindruck bleibt, dass man es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt.

Und wie sieht es mit der Vorbildwirkung aus? Wenn Staatsmänner und Bonzen lügen können, nur weil sie es verstehen, so zu lügen als wäre es die Wahrheit, warum sind wir „kleine Gauner“ der Justiz ausgeliefert und verpflichtet, an Eidesstatt die Wahrheit zu sagen? Verlangt die Staatsanwaltschaft oder sogar der Bundespräsident die Herausgabe­ von Akten und Daten, wehrt man sich zuerst so geschickt, um dann reumütig zigtausend Seiten zu liefern, an denen man so lange herumdoktert, bis der eigentliche Grund für die Anforderung der Daten in Vergessenheit geraten ist oder der Ausschuss nicht mehr amtiert.

Aus dem Ibiza-Ausschuss ist mittlerweile ein Regierungsmitgliederausschuss geworden und die Aufklärung der Ereignisse rund um H.-C. Strache und Gudenus wurde zum Spiegelbild einer moralentfremdenden Freunderlwirtschaft auf Parlamentsebene. Österreich und seine Bürgerinnen und Bürger hätten sich in dieser Krisenzeit mehr verdient als einen Skandal nach dem anderen. Das Tüpfelchen auf dem i ist aber die generelle Diskussion über die Wahrheitspflicht, die der Nationalratspräsident angezettelt hat. Ist jetzt der, der lügt, trotzdem gesellschaftsfähig? Mit dieser Frage und vielen anderen beschäftigen sich zurzeit viele Österreicher. Und was Grillparzers Stück „Weh dem, der lügt“ anbelangt, so ist aus dem Lustspiel leider Gottes eine Tragödie mit kabarettistischen Einlagen geworden.

Manfred Tisal ist Kabarettist, Moderator, Autor und Journalist.

[Autor: Bild: PxHere Lizenz: -]

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