Meuthen: “Großfraktion wird sicher nicht an der AfD scheitern”

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AfD-Co-Vorsitzender Jörg Meuthen über die Chancen für eine rechtskonservative­ Großfraktion im EU-Parlament und warum bestehende Probleme eine starke rechtskonservative Kraft erfordern

Herr Professor Meuthen, welche Möglichkeiten, welche Chancen ergeben sich für das patriotische Lager im Europaparlament nach dem Austritt der Fidesz-Partei aus der Fraktion der Europäischen Volkspartei?
Jörg Meuthen: Grundsätzlich ist damit das rechtskonservative Lager angewachsen. Denn es gibt neben den Fraktionen ID und EKR nun auch Fidesz. Wenn man sich zusammenfände, könnte man die zweitgrößte Fraktion im Europaparlament werden.

Univ.-Prof. Dr. Jörg Meuthen ist einer der beiden Vorsitzenden der Alternative für Deutschland und Leiter der AfD- Delegation im Europäischen Parlament. (Bild: “Twitter”)

Chancen für eine sehr große rechtskonservative Fraktion im Europaparlament haben auch schon 2019 bestanden. Im Vorfeld der Europawahl 2019 sagten Sie in einem Interview mit unserem Blatt: „Wenn wir nicht kooperieren, nützt das nur dem politischen Gegner.“ Nun kam es 2019 doch zur Gründung der ID- und der EKR-Fraktion. Hat man Ihren Rat nicht wirklich beherzigt?
Meuthen: Damals war die Zeit wohl noch nicht reif dafür, ich fürchte, ehrlich gesagt, jetzt wird es auch noch nicht sein. Es bleibt aber mein Wunsch, dass Herr Orbán gemeinsam mit allen anderen Konservativen eine große Fraktion – genau das, was ich damals auch angestrebt habe – diese Kooperation zustande bringen wird. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das jetzt schon realisierbar ist. Das ist ja nicht nur ein sehr ambitioniertes Unterfangen, sondern es würde geradezu eine Zeitenwende im Europäischen Parlament ein­leiten.

Warum ist die Zeit für eine umfangreiche Zusammenarbeit Ihrer Meinung nach möglicherweise noch nicht reif genug?
Meuthen: Weil es immer noch einzelne nationale Bedenken gibt gegen andere Parteien aus dem rechtskonservativen Block. An der AfD-Delegation würde eine solch große Fraktion mit Gewissheit nicht scheitern.

Es wird das Tabu gebrochen und der EU eine eigene Verschuldungsermächtigung eingeräumt.

Funktioniert dann die Strategie des politischen Gegners, insbesondere­ der Altparteien und der Mainstream-Medien immer noch, dass man die Parteien des rechtskonservativen Lagers immer noch gegeneinander ausspielt und sagt, „mit denen dürft ihr ja nicht zusammenarbeiten, das sind ja die bösen Rechts­extremen“?
Meuthen: Diese Bemühungen gibt es seit jeher. Diese Bemühungen gibt es auch jetzt, aber wir wissen, sie sind weniger überzeugend denn je. Weil wir – das kann ich für die ID und auch für die EKR sagen – rechtsextreme Strömungen kategorisch ausschließen. Es mag vereinzelt Rechtsextreme im Europaparlament geben, die aber bei den Fraktionslosen eingeschrieben sind und nicht den beiden rechtskonservativen Fraktionen angehören.

Wäre die Gründung einer großen rechtskonservativen Fraktion nicht auch im Hinblick auf die bestehenden Herausforderungen ratsam? Die illegale Massenmigration nach Europa hält ja nach wie vor an, eine Wiederholung des Jahres 2015 ist weniger eine Frage des Ob, sondern vielmehr eine Frage des Wann. Dann gibt es die Coronakrise, wo europaweit die Bürgerfreiheiten eingeschränkt werden und die Staatsschulden explodieren?
Meuthen: Sie sprechen die zentralen Probleme an. Lassen Sie mich auch sagen, die Migrationsproblematik von 2015 ist jetzt, sechs Jahre später, noch längst nicht gelöst. Wir haben immer noch eine unkontrollierte Migration durch nicht Zuwanderungsberechtigte in den Raum der EU hinein. Gerade weil wir vor ungelösten Problemen stehen, wäre es mir sehr wichtig, dass wir sehr schnell eine starke rechtskonservative Bewegung zusammenbekommen, die dem entschieden Einhalt gebietet. Mit jedem Jahr, das vergeht, verschlechtert sich die Situation weiter, wird der Reparaturbedarf größer.

Den Freiheitseinschränkungen im Zuge der Coronakrise müsste ja auch gegengesteuert werden?
Meuthen: Es ist ja so, dass die Rückgabe einzelner Freiheitsrechte den Menschen quasi als eine Wohltat der Regierung an die Bevölkerung verkauft wird. Grundrechte sind aber unveräußerliche Rechte der
Bevölkerung. Wir haben erhebliche Freiheitseinschränkungen, derer sich Millionen Menschen in ihrer vollen Dimension nicht wirklich bewusst sind. Viele machen sich nicht klar, was sich da tatsächlich vollzieht. Da ist es sehr, sehr wichtig, dass es politische Strömungen gibt, die das deutlich aussprechen. Das können nach Lage der Dinge nur wir sein.

Sehen Sie wegen der Coronakrise aufgrund der stark steigenden Staatsschulden der einzelnen Mitgliedstaaten langfristig Gefahren für den Euro?
Meuthen: Was hier geschieht, ist erstmal unglaublich. Es wird auf einmal, was immer ein Tabu war, der Europäischen Union eine eigene Verschuldungsermächtigung eingeräumt. Das hat man bislang aus gutem Grund nicht getan. Ein internationaler Zusammenschluss darf sich nicht verschulden. Kein Mensch würde den Vereinten Nationen, der NATO oder anderen internationalen Organisationen das Recht zubilligen, sich zu verschulden. Der EU wird das plötzlich zugebilligt, obwohl die rechtliche Ermächtigung dazu überhaupt nicht vorliegt. Auch hier gilt es, äußerste Vorsicht zu wahren und den Anfängen Einhalt zu gebieten, denn die gesammelten Linksparteien versuchen jetzt daraus einen Standard zu machen und zu fordern, das muss grundsätzlich zum Recht der Europäischen Union werden. Nein, um es sehr deutlich zu sagen, dass muss es nicht und das darf es auch nicht!

Und dieses Thema wäre auch ein neues Betätigungsfeld für die rechtskonservativen Parteien in Europa?
Meuthen: Unbedingt, wenn dort Einigkeit besteht. Ich habe aber gewisse Zweifel, ob das alle so strikt sehen wie wir von der Alternative für Deutschland oder wie die FPÖ. Es gibt hier durchaus auch Mitgliedstaaten, in denen ein lockerer Umgang mit öffentlicher Verschuldung weniger skeptisch gesehen wird. Zu Ende denkend, sollte man der EU auf dieser Ebene keinesfalls das Recht zu einer öffentlichen Verschuldung einräumen. Das muss in unserer aller Interesse sein.

Sie haben vorhin die Linksfraktionen angesprochen: Wie ist da die Europäische Volkspartei einzuschätzen?
Meuthen: Schauen Sie sich das Abstimmungsverhalten an und Sie werden feststellen, dass es im Grunde genommen eine ganz große Mitte-Links-Allianz gibt: EVP, Sozialdemokraten, sogenannte Liberale, sogenannte Grüne bis hin zu den Kommunisten stimmen sehr, sehr oft gemeinsam.

Und dagegen stimmen logischerweise die Fraktionen ID und EKR.
Meuthen: Ja, genau das tun wir.

Das Gespräch führte Bernhard Tomaschitz.

[Autor: Bild: PxHere Lizenz: –]

 

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