„Gemeinsame Heimat Kärnten“

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Rede von Josef Feldner anlässlich der ­Einweihung des Jubiläumsdenkmals in Miklauzhof

Blicken wir zurück: Ende des I. Weltkriegs 1918 besetzt Jugoslawien Teile Kärntens. Die Kärntner wehren sich verzweifelt. Aber der Abwehrkampf gegen eine jugoslawische Übermacht geht verloren. Heute erinnern wir – wie seit 100 Jahren alljährlich zum 10. Oktober – in Dankbarkeit an unsere 268 Gefallenen. die nicht umsonst gestorben sind. Denn: Mit dem Abwehrkampf wurde die Kärntner Volksabstimmung für den 10. Oktober 1920 erzwungen. Vor der Abstimmung führte der Heimatdienst als Organ des Landes einen pro-österreichischen Propagandakrieg gegen die jugoslawischen Okkupatoren. Mit Erfolg: 60 Prozent stimmten grün! Kärnten bleibt ungeteilt im Verbund mit Österreich!
Danken wir allen, die unter großen Schwierigkeiten für Österreich gestimmt und die Landeseinheit erhalten haben. Dank auch den vielen kärntentreuen Slowenen, die den Aufrufen des Heimatdienstes in slowenischer Sprache, für Österreich zu stimmen, gefolgt sind.
Verurteilen wir aber andererseits nicht jene, die damals für Jugoslawien gestimmt haben. Sie haben nur von Ihrem demokratischen Recht Gebrauch gemacht! In diesem Sinne hat der historische Heimatdienst schon zwei Wochen nach der Volksabstimmung zu Frieden und Versöhnung aufgerufen. Und auch heute ist unser Erinnern auf Dankbarkeit, frei von Hass aufgebaut. Auf Dankbarkeit, die all die Tausenden miteinschließt, die unter schwierigsten Bedingungen auf verschiedenste Art und Weise den geistigen Kampf für ein ungeteiltes Kärnten geführt haben.
Es war ein perfektes ineinandergreifendes Räderwerk, dessen unbestrittener Motor der Geschäftsführer des Heimatdienstes Hans Steinacher gewesen ist, der in einer Phase der Mutlosigkeit die Landespolitik aufgerüttelt und deren Kampfgeist neu entfacht hat. Und das ist zu würdigen. Und daran kann und darf auch Steinachers anfängliche zwiespältige Rolle während der NS-Zeit nichts ändern. Dennoch stellen wir uns diesbezüglich einer offenen Auseinandersetzung und lassen auch scharfe Kritiker Steinachers nicht nur zu Wort kommen, sondern machen deren Kritik in einem Sammelband auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich.
Zur Person Hans Steinacher: Wenn heute manche scharfe Kritiker diesem großen Kärntner wegen seiner zeitweiligen Vergangenheit während des NS-Regimes posthum jegliches Recht auf Ehrung absprechen, dann werden wir nicht müde werden, auch all das vorzubringen, was der Entlastung Steinachers dient.
Nämlich: Dass er schon 1937 bei den Nazi-Größen in Ungnade gefallen ist, dass er mutig Kritik geäußert und auch politische Gegner vor Kriegsgerichtsverfahren gerettet hat, dass er sich öffentlich gegen die Aussiedlung von Kärntner Slowenen ausgesprochen und damit ein starkes Bekenntnis zur Zusammengehörigkeit der beiden Bevölkerungsgruppen abgelegt hat. Und vor allem, dass ihm nach dem Krieg keinerlei Verbrechen vorgeworfen werden konnten, dass er quer durch alle Parteien bis zu seinem Tod hochgeachtet geblieben ist und ihm wenige Jahre vor seinem Tod von Bundespräsident Franz Jonas, dem Sozialdemokraten und ehemaligen Abwehrkämpfer, eine Ehrenpension zuerkannt wurde. Für diese weitestgehend umfassend gewesene Hochachtung Steinachers hat eine ganz große Rolle gespielt, dass alle Menschen, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit an den Schalthebeln gesessen sind, die schreckliche Zeit des Nationalsozialismus am eigenen Leib erfahren haben.
Das war der Grund dafür, dass in der Kriegsgeneration weitverbreitetes Verständnis für jene herrschte, die sich, um sich und ihrer Familie ein erträgliches Leben zu sichern, oft auch gegen ihre innere Überzeugung arrangiert haben, oder besser gesagt arrangieren mussten.
Niemand von uns hat das große Glück gehabt, erfahren müssen, was es heißt, in einem Land zu leben, wo nicht Recht, sondern Unrecht, Willkür und Terror herrschten.
Brechen wir daher nicht aus unserem geschützten Bereich heraus über all jene den Stab, die, ohne Verbrechen begangen zu haben, gezwungen waren, dem NS-Regime zu dienen. Das steht uns nicht zu! Um es klarzustellen: Es soll dabei niemandem das Recht abgesprochen werden, Kritik welcher Art immer zu üben.
Ja, Kritik an totalitären Regimen, insbesondere am Nationalsozialismus, zu üben, ist nicht nur berechtigt, sondern, um den Anfängen zu wehren, notwendig! Diese Kritik darf aber nicht so weit gehen, jeden Menschen posthum zu verurteilen und von jeder Ehrung auf alle Zeiten auszuschließen, der auch nur irgendwie in einen Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus gebracht werden kann!
Wenn wir heute, 100 Jahre nach der Volksabstimmung, auf einer Gedenktafel Hans Steinacher würdigen, ohne den es kein gemeinsames Kärnten gäbe, dann ist das für uns als in der Tradition des historischen Kärntner Heimatdienstes stehenden Heimatverband eine Ehrenpflicht.
Dennoch ist unser Blick nicht rückwärtsgewandt. Mit dem Jubiläumsdenkmal „Gemeinsame Heimat Kärnten“ wollen wir in dankbarer Erinnerung beide Kärntner Bevölkerungsgruppen gleichermaßen einschließen.
Nicht das Gegeneinander im Kampf um Kärnten darf fortan im Mittelpunkt des Abstimmungsgedenkens stehen, sondern das Bemühen, altes Misstrauen und gegenseitige Aversionen endgültig zu überwinden.
Mit der schon seit sechs Jahren erfolgreichen Einladung unserer ehemaligen militärischen Gegner zum gemeinsamen Gedenken an alle Opfer auf beiden Seiten der Kämpfe um Kärnten vor 100 Jahren haben wir Neuland betreten. Und wir haben unter dem Motto „Sie alle starben im Glauben an ihre Heimat“ einen großen Schritt zur nachhaltigen, auch grenzüberschreitenden Versöhnung gesetzt und damit einen Schlussstrich unter gegenseitige Schuldzuweisungen, Misstrauen und Aversionen gezogen, bei Festigung des friedlichen Miteinanders mit allen unseren Nachbarn im Alpen-Adria-Raum.
Wenn wir erreichen, dass ohne Grenz-Revisionsabsichten gegenseitig Respekt gezeigt wird für unser Abstimmungsgedenken einerseits und das Gedenken an die Kämpfer um die Nordgrenze in Slowenien andererseits, dann zeigen wir im Kleinen, wie ein friedliches und partnerschaftliches Zusammenleben der Völker weltweit funktionieren könnte. Tragen wir alle nach Kräften zu dessen Verwirklichung bei!

[Autor: Bild: fritzpress Lizenz: -]

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