„Die Presse“ auf zweifelhaftem Weg

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Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/TARS631 Lizenz: –


Zunehmende Einengung des Meinungskorridors

Im Feuilleton der Wiener Tageszeitung „Die Presse“ sind unter dem Titel „Debatte“ zwei Seiten dem Meinungsaustausch gewidmet. Da druckte man die Leserbriefe ab, aber auch eine Kolumne, die sich „Quergeschrieben“ nennt. Hier äußerte täglich ein anderer Querschreiber seine Ansichten. Wie es sich für eine traditionsreiche bürgerlich-liberale Zeitung wie „Die Presse“ geziemt, huldigte man der Vielfalt der Meinungen.

Wobei in der Vergangenheit gerade die abweichende Meinung, den Dissens, ins Zentrum gerückt worden ist. Die Diversität der Meinungen bildet das unverzichtbare Unterfutter einer liberalen Gesellschaft. Sie erträgt das Ärgernis, das ihr die Freiheit des einzelnen bereitet. Ein Liberaler toleriert, dass andere anders leben und denken, als er selbst es für richtig hält. Gefahr droht der Freiheit nämlich nicht durch Unsinn, sondern durch Unduldsamkeit.

Und diese Unduldsamkeit scheint jetzt bei Rainhard Nowak, dem Herausgeber und Chefredakteur, ans Tageslicht zu treten. Ein Charakterzug, der Fragen aufwirft: Definiert hier ein medialer Jakobiner die Grenzen dessen, was als Meinung zulässig ist? Formiert sich auch in der „Presse“ ein Gesinnungsjournalismus, der abweichende Meinungen zum Verstummen bringt? Wird derjenige, der widerspricht, mitnichten widerlegt, sondern zum Schweigen gebracht?

Konkreter Anlass ist der Entfernung von Gudula Walterskirchen aus der Mannschaft der Querschreiber. Walterskirchen zeichnet sich neben einem brillanten Stil durch klare, wertkonservative Positionen aus. Etwas, was – so der trübe Anschein – in der „Presse“ nicht mehr geduldet wird. Für aufmerksame Beobachter drängt sich zudem der Eindruck auf, als sei der Rauswurf von langer Hand vorbereitet: Bei den veröffentlichen Leserbriefen sind in den letzten Monaten vermehrt solche zu finden, in denen man sich über Walterskirchen herabsetzend oder in typischer Gutmenschenmanier empört zeigt.

Nun ist die Katze aus dem Sack: Laut Mitteilung von Rainer Nowak in der „Presse“-Osterausgabe wird statt Frau Walterskirchen in Hinkunft die bisherige „Profil“-Redakteurin Rosemarie Schwaiger querschreiben. Von Schwaiger ist vieles zu erwarten, aber kaum eine rechtskonservative Meinung. Die Trennung der „Presse“ von Gudula Walterskirchen ist gleichzeitig ein Wink mit dem Zaunpfahl für Karl-Peter Schwarz, dem letzten Mohikaner unter den Querschreibern, der wirklich querschreibt.

Ob der nun überdeutlich gewordene Kurs in Richtung politisch korrektem Gutmenschentum der „Presse“ guttut, sei dahingestellt. Otto Schulmeister und Thomas Chorherr hätten dies kaum goutiert. Aber auch immer weniger Leser tun dies: Laut Medien-Analyse hatte das Blatt im Jahr 2003 – also noch unter Chefredakteur Andreas Unterberger – eine Reichweite von 5,1 % (zum Vergleich: „Der Standard“ 5,8 %), bei der letzten Medien-Analyse 2021 sind es beim „Standard“ herzeigbare 7,2 %, für „Die Presse“ nur mehr magere 3,8 % der Leser.

Angesichts dieser Zahlen stellt sich für Rainer Nowak eine Grundsatzfrage: Soll „Die Presse“ verstärkt der lachsroten Konkurrenz hinterher hecheln? Oder rasch umkehren und wieder ein bürgerlich-liberales Blatt mit Meinungsvielfalt werden? Wie der Fall Walterskirchen zeigt, dürfte sich Nowak bereits entschieden haben.

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